Die Kurzgeschichte „Das Brot“ wurde im Jahre 1946, nur kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, von dem Autor Wolfgang Borchert veröffentlicht. Thematisch konzentriert sich die Kurzgeschichte auf die Hungersnot, die während des zweiten Weltkrieges in der Bevölkerung bestand. Damit kann die Kurzgeschichte in die Nachkriegsliteratur eingeordnet werden und zählt speziell zur sogenannten „Trümmerliteratur.“ Diese setzt sich in allen Facetten mit der Situation, den Folgen und der Zerstörung auseinander, die durch den Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Kurzgeschichte auseinander, präsentiert die Inhaltsangabe und liefert eine Interpretation des Werkes.
Der Inhalt der Kurzgeschichte „Das Brot“
Die Kurzgeschichte „Das Brot“ schildert die Situation eines älteren Ehepaares aus der Perspektive der Frau. Das Ehepaar lebt zusammen in einer Wohnung in Deutschland.
Eines Nachts wacht sie durch Geräusche auf, die sie aus der Küche hört. Da sie ihren Mann nicht wie gewohnt neben sich im Bett liegend findet, steht sie auf und geht in die Küche. Dort entdeckt sie ihren Mann, der nur ein Hemd trägt. Sie blickt sich um und erwischt ihren Mann dabei, wie er eine Scheibe des raren Brotes isst. Sie friert und wird erfüllt durch den Ärger und die Enttäuschung, dass ihr Mann heimlich ein Brot ist – in der Nachkriegszeit, wo die Lebensmittel und vor allem das Brot äußerst knapp sind.
Ihr Mann versucht sich durch Ausreden aus der Affäre zu ziehen. Er behauptet, er habe ein Geräusch gehört und entschuldigt sich bei seiner Frau dafür. Sie sehen einander an und bemerken beide, wie alt der jeweils andere doch aussähe. Beide sind wütend auf den anderen. Sie ärgert sich darüber, dass er das Brot heimlich abgeschnitten und gegessen hat. Er ärgert sich darüber, dass er von seiner Frau in dieser Situation ertappt worden ist.
Die Frau tut so, als ob sie nichts bemerkt hätte, kann ihre Enttäuschung gegenüber ihrem Mann fast nicht verbergen. Deshalb kann sie ihn nicht ansehen. Er hat sich herausgeredet und sie angelogen und ein Teil des gemeinsamen Brotes weggegessen. Er wiederholt dabei, dass er nur wegen der Geräusche in die Küche gegangen sei.
Die Frau rettet schließlich die unangenehme Situation und befreit ihn aus der Verlegenheit dadurch, dass sie ihn wieder zurück ins Schlafzimmer schickt. Sie retten die peinliche Situation dadurch, indem sie sich bestärken, dass das Geräusch von der Dachrinne käme. Dieses Geräusch hat sie schließlich beide aufgeweckt und in die Küche geführt.
Im Bett liegend atmet die Frau regelmäßig, damit der Mann denkt, sie wäre bereits eingeschlafen. Sie hört dabei, wie ihr Mann leise und kaum merklich das Brot kaut.
Am nächsten Abend isst die Frau nicht wie gewöhnlich drei Scheiben Brot, sondern gibt ihrem Mann unter einem Vorwand eine Scheibe ihres Brotes ab. Damit beabsichtigt sie, dass er nicht wieder in eine solch peinliche Situation geraten muss. Der Mann versteht daraufhin, dass seine Frau weiß, was er in der letzten Nacht in der Küche gemacht hat. Um sich zu rechtfertigen, behauptet seine Frau, dass sie das Brot nicht so gut vertragen würde.
Die Interpretation der Kurzgeschichte
Mit der Kurzgeschichte soll anhand eines konkreten Beispiels sie Lage der Menschen in der Nachkriegszeit dargestellt werden. In dieser Geschichte liegt der Fokus auf der Lebensmittelknappheit, die sich zur damaligen Zeit dramatisch auf den Alltag der Betroffenen ausgewirkt hat. Hier versucht das ältere Ehepaar die Situation so gut es geht zu bewältigen. Für die heutige Gesellschaft ist die dramatische Situation kaum nachvollziehbar, gehörte aber für damalige Verhältnisse zum grausamen Alltag.
Die gesamte Kurzgeschichte kann dabei in drei Komponenten zerlegt werden. Der erste Teil konzentriert sich dabei auf den Weg in die Küche, der zweite findet direkt in den Räumlichkeiten der Küche statt und der dritte schildert die Situation am nächsten Tag.
Wie ein Drama ist sowohl die Zeit als auch der Raum sehr eng eingegrenzt. Hauptdarsteller sind lediglich zwei Personen und der gesamte Zeitraum beansprucht weniger als 27 Stunden. Der Raum ist ebenfalls eng begrenzt und konzentriert sich auf lediglich zwei Räume – nur Küche und Schlafzimmer sind Bestandteile der Kurzgeschichte.
Die Erzähltechnik
Die gesamte Kurzgeschichte besteht aus kurzen und einfachen Sätzen. Geprägt wird der gesamte Text außerdem durch Wiederholungen und auch unvollständige Sätze findet man häufig während der Geschichte. Der Wortschatz ähnelt dem eines Kindes und der Dialog findet auf umgangssprachlicher Ebene statt.
Die gesamte Erzähltechnik wurde dabei vom Autor bewusst so gewählt, um die peinliche Situation hervorzuheben, die Gegenstand der Kurzgeschichte ist. In der Geschichte wird weder auf die Namen der Protagonisten eingegangen, noch deren Aussehen näher geschildert. Gepaart mit der Erzähltechnik soll der Fokus des Lesers dabei auf die Situation gelegt werden.
Die Perspektive des Autors
Der Autor übernimmt in der Geschichte eine auktoriale Perspektive. Erkennbar ist diese daran, dass zwischen den Gedanken beider Darsteller immer wieder gewechselt wird.
Im Normalfall handelt es sich bei der auktorialen Perspektive nicht um den Blickwinkel, der normalerweise für eine Kurzgeschichte kennzeichnend ist. In Hinblick auf den Blickwinkel wurde der Autor von Erzählungen deutscher und russischer Tradition beeinflusst. Der Autor stellt den Alltag ohne Pointen oder Überraschungen dar.
Keineswegs handelt es sich damit um eine langweilige oder banale Geschichte. Denn es wird die Realität geschildert, die für die Nachkriegszeit für die Deutschen typisch war.
Die Geschichte aus psychologischer Sicht
Es handelt sich um eine psychologische Geschichte, wobei sich der Verfasser auf die Situation in der Küche konzentriert. Die Frau erwischt ihren Mann, wie dieser eine Scheibe Brot abschneidet und heimlich isst. Obwohl die Frau ihn dabei ertappt, lässt sie sich nichts anmerken. Der Mann wiederum vermutet, dass er in dieser Situation von seiner Frau erwischt worden ist, verstrickt sich in Lügen und verschlimmert die ganze Lage dadurch noch.
Die Konsequenz aus dieser Situation ist, dass die Frau der Überzeugung ist, ihr Mann hätte schon beim Abendessen geplant, sich in der Nacht ein Stück Brot abzuschneiden. Sie ist überzeugt davon, er hätte nur gewartet, bis sie schließlich eingeschlafen ist, um sich heimlich in die Küche zu schleichen.
Diese ganze Situation thematisiert nicht die Unfähigkeit eines Ehepaares, darüber zu sprechen. Auch hier kommt die Situation der Nachkriegszeit zum Vorschein. Diese war gekennzeichnet dadurch, dass Gefühle nicht ausgesprochen wurden.
Es gehörte in der Nachkriegszeit zum Alltag, Konflikte nicht an der Oberfläche auszutragen, sondern unter den Teppich zu kehren.
Die Geschichte aus sozialökonomischer Sichtweise
Aus der Sichtweise des Mannes befindet dieser sich in einer Notsituation und sieht sich deshalb veranlasst, seine Frau anzulügen. Der Verfasser der Geschichte verurteilt jedoch das Verhalten des Mannes, die Sympathie liegt bei der Ehefrau.
Die sozialökonomische Situation der Menschen in der Nachkriegszeit wird durch diese Alltagssituation des älteren Ehepaares anschaulich dargestellt.
Die moralische Sichtweise
Aus moralischer und ethischer Sichtweise handelt es sich bei dem Verhalten des Mannes gegenüber seiner Frau um einen Verrat.
Er schleicht sich heimlich hinter ihrem Rücken in der Nacht in die Küche, um sich ein Stück Brot zu stibitzen. Obwohl ihm klar ist, dass er in dieser Lage von seiner Frau erwischt worden ist, fängt er an, sich zu rechtfertigen und sich in Lügen zu verstricken. Er hätte seine Frau auch auf neutrale Art und Weise um ein Stück Brot bitten können und hätte dieses vermutlich auch bekommen. Dieses Verhalten wird von der Frau am nächsten Tag widergespiegelt, indem sie von sich aus ein Stück Brot abgibt. Durch dieses Verhalten werden die Schuldgefühle des Mannes noch zusätzlich verstärkt.
Die Frau reagiert mit ihrem Verhalten auf ein Unrecht, welches von ihrem Mann begangen worden ist.
Auch wenn es so scheint, dass die Frau ihm mit ihrem Verhalten einen Gefallen tun möchte, straft sie ihn dadurch, dass sie ihm am nächsten Tag eine Scheibe Brot von sich aus überlässt. Es handelt sich damit um ein wortlose Strafe.
Keiner der beiden Darsteller thematisiert dabei das Unrecht der Situation. Von keinen der beiden wird über die Gefühle oder Gedanken gesprochen, die letztlich einerseits beim Mann zu dieser Situation geführt haben und die in der Frau bestimmte Gedanken und Gefühle ausgelöst haben.
Dabei handelt es sich um eine typische Situation der Nachkriegszeit. Denn die Menschen sahen sich mit Unrecht konfrontiert, waren aber unfähig darüber zu reden und Gefühle zu verdeutlichen. Die Menschen im Nationalsozialismus versuchten das Unrecht, welches zur damaligen Zeit an der Tagesordnung stand, zu verdrängen.
Persönliche Meinung zu der Geschichte
Meine persönliche Meinung zu dieser Geschichte ist, dass sie ein kraftvolles und bewegendes Bild der Nachkriegsrealität malt. Borchert gelingt es meisterhaft, die Stimmung und die Herausforderungen dieser Zeit einzufangen. Die Geschichte ist nicht nur eine Darstellung der physischen Not, sondern auch ein tiefgründiger Einblick in die menschliche Psyche und die Beziehungsdynamik unter extremen Bedingungen.
Die Handlung, die sich auf eine scheinbar einfache Begebenheit konzentriert – der Mann isst heimlich Brot –, offenbart tiefere Schichten der menschlichen Natur: Scham, Stolz, Verzweiflung und die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen. Die Tatsache, dass die Frau ihrem Mann am nächsten Tag eine Scheibe ihres Brotes gibt, zeigt ihre tiefe Empathie und Verständnis für seine Situation, trotz der Enttäuschung und des Verrats, den sie fühlt.
Die Erzähltechnik Borcherts, mit einfachen Sätzen und einer fokussierten Handlung, verstärkt die Intensität der Geschichte. Die Verwendung der auktorialen Perspektive ermöglicht es dem Leser, in die Gedanken und Gefühle beider Charaktere einzutauchen, was die Geschichte noch eindrucksvoller macht.
„Das Brot“ ist ein herausragendes Beispiel für die Kraft der Kurzgeschichte und ein wichtiges Zeugnis der deutschen Nachkriegsliteratur. Es zeigt, wie in Zeiten extremer Not die einfachsten Handlungen und Entscheidungen tiefgreifende moralische und emotionale Konsequenzen haben können.
Mein Name ist Anatoli Bauer und ich bin Spätaussiedler aus Russland, der 1997 als Kind nach Deutschland gekommen ist. Als Kind musste ich die deutsche Sprache als Fremdsprache lernen und dabei musste ich natürlich auch die Grammatik und Rechtschreibung von Grund auf neu erlernen. Seit dieser Zeit beschäftige ich mich sehr gerne mit der deutschen Grammatik und in diesem Bereich hatte ich ab der 5. Klasse auf dem Gymnasium und später auch während des Abiturs nachweislich nur Bestnoten.