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Die Klavierstunden von Gabriele Wohmann – Beispiel Textanalyse

Gabriele Wohmann hat man „Die Klavierstunde“ eine Kurzgeschichte geschrieben, die im Jahr 1966 erschienen ist und von einem gestörten Verhältnis zwischen einer Klavierlehrerin und ihrem Schüler handelt.

Inhalt des Textes

Der Text beginnt mit der Sichtweise des Klavierschülers. Er ist gerade auf dem Weg zu seiner Unterrichtsstunde. Er ist unglücklich und würde die Stunde liebend gern ausfallen lassen. Er empfindet den Klavierunterricht als Belastung und tut es nur aus Pflichtgefühl. Der Schüler ist hin und hergerissen. Am liebsten würde er einfach umkehren. Er verliert sich in dem Gedankenspiel, die Stunde zu schwänzen. Es wäre ein leichtes, einfach wieder nach Hause zu gehen und einen freien Nachmittag zu haben. Die Versuchung ist sehr groß. Dabei empfindet er die Vorstellung, die Wahl zu haben, genauso erschreckend. Aber er läuft immer weiter und versucht seine Gedanken vehement zu ignorieren.

Als Nächstes wird die Sichtweise der Klavierlehrerin beschrieben. Sie wirkt alt und zerbrechlich. Ihr fällt es schwer aufzustehen und sie empfindet es als mühselig, sich dem nächsten Schüler widmen zu müssen. Sie hat an ihrem Lehrerberuf keine Freude, sondern sieht es als Belastung und Pflicht an. In ihr keimt der Gedanke auf ihren Schüler wieder wegzuschicken, sobald er eintrifft. Sie hat keine Geduld mit ihm und hält ihn für untalentiert. Allein dieser Gedanke ermuntert sie ein wenig.

Im nächsten Abschnitt wird wieder zur Sichtweise des Schülers gewechselt. Er hat noch immer den Wunsch, die Unterrichtsstunde ausfallen zu lassen. Er könnte einfach wegbleiben und wieder zurückgehen. Auch die Sichtweise der Lehrerin zeigt noch immer denselben Wunsch. Sie hat Kopfschmerzen und denkt darüber nach, ihren Schüler wieder nach Hause zu schicken.

Dann wird wieder die Sichtweise des Schülers aufgezeigt. Je näher er kommt, desto schwerer fallen ihm die Schritte. Er hat das Gefühl, dass seine Tasche und die darin befindlichen Notenblätter tonnenschwer sind. Er wünscht sich nichts sehnlicher als die Notenblätter ins Gebüsch zu werfen und fortzulaufen. Trotzdem geht er immer weiter. Die Villa der Musiklehrerin wirkt ebenfalls nicht einladend auf ihn. Die Blumen sind für ihn einfarbig und wirken leblos. Das Gartentor öffnet mit einem unangenehmen Ton.

Die Begrüßung und das Aufeinandertreffen der beiden ist höflich, aber wortkarg.

Aufbau der Kurzgeschichte

Der Text ist offen gehalten und wirft den Leser direkt in die Geschichte hinein. Es sind zwei parallellaufende Erzählstränge. Es wird eine Multiperspektive verwendet. Auf diese Weise können die Gedanken und Empfindungen der Figuren objektiv und ohne Wertungen dargestellt werden. Auf der einen Seite die Sicht des Schülers, der sich auf dem Weg zu seiner Unterrichtsstunde befindet und auf der anderen Seite die Sichtweise seiner Musiklehrerin, die ihn für den Musikunterricht erwartet. Es gibt keine zeitlichen Sprünge und die Ereignisse werden in chronologischer Reihenfolge erzählt. Mit Voranschreiten der Handlung wechseln die einzelnen Sichtweisen häufiger und die Absätze der jeweiligen Figur werden kleiner. Zum Schluss und zum Höhepunkt der Geschichte hin werden jeder Figur nur noch einzelne Sätze zugeschrieben. Anfang und Schluss der Kurzgeschichte sind offen gehalten, um den Leser zum Nachdenken anzuregen.

Interpretation

Die jeweiligen Sichtweisen verdeutlichen die Gedanken und Gefühle des Schülers und der Lehrerin. Es wird deutlich, dass sich beide nicht ausstehen können. Die Unlust des Schülers ist groß. Er spielt dem gesamten Weg über, mit dem Gedanken, die Stunde ausfallen zu lassen und wieder zurückzugehen. Auch die Klavierlehrerin ist unmotiviert. Sie würde am Liebsten die Stunde ausfallen lassen und ihren Schüler wieder nach Hause schicken.

Auch wenn beide Figuren im Grunde dasselbe möchten handeln sie aus reinem Pflichtgefühl doch anders und fügen sich scheinbar ihrem Schicksal. Die Kurzgeschichte handelt von diesem inneren Konflikt, den beide Figuren gleichermaßen erleben. Die Geschichte zeigt auf, dass jeder Erfolg im Leben auch mit unliebsamen Tätigkeiten einhergeht. Die Kurzgeschichte ist zu einer Zeit entstanden, in der der gesellschaftliche Druck musikalisch gebildet zu sein besonders hoch war. Das Pflichtgefühl, sich dem Schicksal fügen zu müssen, steht über dem Nachgehen eigener Vorlieben und Interessen. Auch wenn heutzutage musikalische Bildung hoch angesehen, aber keiner Muss mehr ist, kann die Kurzgeschichte auch heute noch als berechtigte Gesellschaftskritik wahrgenommen werden. Oftmals beugen sich Personen aus reinem Pflichtgefühl bestimmten Tätigkeiten, weil sie sich vor Konsequenzen oder dem eigenen Gewissen fürchten. Dabei sollte sich selbst ganz klar die Frage gestellt werden welche Beweggründe zum eigenen Handeln führen.

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